In der Casamance, dem südlichen Teil des Senegal, liegen Armut und Reichtum dicht beieinander. Dieses fruchtbare und freundliche Land zwischen Guinea-Bissau und Gambia, ist einerseits sehr reich: Wälder mit uralten Baumriesen beherbergen eine große Artenvielfalt. Die wunderschönen Mangroven, die zahlreichen Zugvögeln Nahrung bieten, schützen die Küste vor den Wellen des Atlantiks, fast dreimal so viele Niederschläge wie im Norden des Landes ermöglichen den Anbau von Gemüse, lassen Obsthaine wachsen und bewässern Reisfelder.
Raubbau und Kahlschlag
Die Casamance ist die reiche Korn- oder genauer die weißgoldene Reiskammer des Senegals. Fruchtbarste Böden sind ein natürlicher Reichtum, wäre nicht der über 35 Jahre währende bewaffnete Konflikt um die Unabhängigkeit, der extreme Holzeinschlag und Raubbau an den Wäldern, der agroindustrielle Fischfang schwimmender, meist asiatischer Fischfabriken entlang der Küste, der Klimawandel und die fortschreitende Versalzung der Böden.
Der Fromager – König unter den Riesen
Der Seidenwollbaum oder Kapokbaum ist einer der größten Bäume des tropischen Regenwaldes, der Wuchshöhen bis zu 75 Meter erreicht. Der Kapokbaum stammt ursprünglich aus dem tropischen Regenwald Westafrikas und Südamerikas und ist mittlerweile in den gesamten Tropen anzutreffen.
Fromager (Käse) ist ein gebräuchlicher Name und erinnert daran, dass ihr Holz von den ehemaligen französischen Kolonialisten zur Herstellung von Kisten für Käse verwendet wurde. Einige nennen ihn immer noch „Piroguier“, weil sein Holz häufig beim Bau von Pirogen verwendet wird.
Seine Bedeutung für die Menschen in der Casamance sollte nicht unterschätzt werden: Aus dem Kapokbaum wird u. a. Kapok gewonnen, die einzigartige, flaumartige Naturfaser ist nach Pappelflaum die leichteste natürliche hohle Textilfaser der Welt. Die Faser ist wasserabweisend, pflegeleicht sowie allergikerfreundlich und hat eine unerreicht gute Ökobilanz. Außerdem werden die Samen aufgrund ihres hohen Anteils an fettem Öl (bis zu 25 %) regional für die Herstellung von Seife oder Speiseöl verwendet.
Aufgrund seiner antibakteriellen Wirkung kommt Kapok auch bei der Wundversorgung zum Einsatz. Die Abkochung der Ceiba pentandra-Rinde wird als Diuretikum, Aphrodisiakum und zur Behandlung von Kopfschmerzen sowie Typ-2-Diabetes benutzt. In der traditionellen Medizin wird Kapok darüber hinaus benutzt um Durchfall, Bluthochdruck, Schwindelgefühl, Verstopfung, Fieber, Geschwüre, Lepra, Bronchitis, Dysenterie, Hautkrankheiten, Arthritis, Augenkrankheiten, Insektenstiche und Infektionen zu behandeln.
Der ehemalige Umweltminister Haidar El Ali warnte schon 2016 davor, dass die Wälder innerhalb von zwei Jahren aus der Casamance verschwinden wird. Das Holz wird von der Mafia in das benachbarten Gambia und von dort nach China gebracht.
Die Riesen sterben aus
Leider verschwinden die stolzen Riesen wie überall auf der Welt auch hier. Täglich erleben wir während unseres mittlerweile einjährigen Aufenthalts im Senegal die Abholzung. Gerade die kleinen, privaten Haushalte tragen viel zur ,Verwüstung’ bei, denn nach dem Kahlschlag kommt mit dem ständigen Wind die Erosion und die nächsten Regenzeit spült die zarte, dünne Humusschicht über den Sandböden einfach weg.
Nur wenige Menschen wie Augustin Diatta, der ein Stück Wald in Diembéring zu schützen versucht, haben Verständnis für Umwelt- und Naturschutz. Gekocht wird täglich auf Holzkohle und auch die jüngste Generation lernt in einem modernen Kindergarten, dass das Mittagessen auf Holzfeuer zubereitet wird. Eine weitere verlorene Generation, die alles rund um das eigene Haus abholzen wird.
Baumriese contra Microplastik
Die stolzen Riesen in einem Müll verseuchten Umfeld so sehen zu müssen, stimmt uns wahnsinnig traurig. Die Vermüllung der Casamance ist dramatisch, wie auch in ganz Senegal – und dem ganzen Kontinent! Es gelingt uns nicht mehr, einen Ort ohne Plastikmüll zu finden. Machtlos müssen wir zusehen, wie der Hausmüll überall direkt hinter den Häusern in die Natur gekippt wird.
Oft werden wir in den Social Media gefragt, ob und was man denn vor Ort tun könnte, zum Beispiel ,pick up’. Wir sind absolut fleißige Müllsammler und egal wo wir ankommen, ist dies leider fast immer unsere erste Tätigkeit vor Ort. Sehr oft ist es aber wirklich unmöglich aufzusammeln, denn die Plastikvermüllung, gerade in den Dörfern und ihrer Umgebung ist so extrem, dass es sinnlos ist, mit zwei Personen in Handarbeit zu beginnen. Das verrottenden Plastik findet sich in den kleinsten Winkeln der Landschaft und die Mägen der freilaufenden Tiere sind prall gefüllt mit Plastikabfall.
Müllverbrennungsanlagen wären eine Lösung. Stromerzeugung ist das Gebot der Stunde, denn er fällt hier täglich aus. Wir sind keine Experten, aber es ist offensichtlich ein lösbares Problem, das weder mit Aufklärung der Bevölkerung noch mit konkreten Projekten angegangen wird. Dabei hat die Welt keine Zeit mehr, auf Umsetzungen von umweltgerechten Lösungen zu warten.
Sicher gibt es sehr viele nennenswerte Müllprojekte in der Casamance und natürlich in ganz Senegal. Wir sprechen uns kein umfangreiches Fachwissen zu, doch einen sichtbaren Erfolg erkennen wir nach einem Jahr ,Expedition Senegal‘ nicht.
So stehen sie da, die letzten Großen dieser Region, traurig anzuschauen inmitten der zahlreichen wilden Müll-Deponien, unbeachtet, ungeschützt. Sie sind ihre eigenen Natur–Mahnmale, und warten auf die wenigen Touristen, die sich hierhin verirren, denn ihre Plastik-Kulisse taugt nicht mal mehr für ein Facebook-Like.